Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 58

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Samstag, 9. Mai 2020

Ein Abschied und ein Blick in die Zukunft

58 Tage lang habe ich hier jeden Tag ein Lebenszeichen aus unserem Homeschooling-Alltag geschickt. Es war für mich ein grosses Abenteuer, in welches ich mich, aus einem Impuls heraus gestürzt hatte. Zu Beginn war nicht klar, für wie lange und worüber ich schreiben würde. Nun ja, eigentlich war nie klar, was ich schreibe, bis ich dann am Laptop sass. Auch war nie klar, ob es denn auch von jemandem gelesen wird. Schreiben gab mir Halt und Sicherheit in einer aussergewöhnlichen Situation. Mich schriftlich auszudrücken, fiel mir immer leicht. Es ist etwas was mir liegt und einfach von der Hand geht. Dass ich es aber einmal so öffentlich und regelmässig tun würde, hatte ich nie gedacht. Es ist in diesem Lebensabschnitt, in dieser Krise aus mir herausgebrochen und hat sich seinen Weg gebahnt. Diese Gelegenheit nicht zu ergreifen, war keine Perspektive für mich. Hätte ich die Ausdrucksform Schreiben nicht gehabt, wäre ich wohl verrückt geworden.

Für alles danke!

Ab Montag gibt es kein Homeschooling mehr. Unsere drei Kinder werden wieder mit ihren Lehrer*innen und Schulkamerad*innen in ihren Klassenzimmern ihren Schulalltag aufnehmen. Es gibt deshalb für mich keinen Grund mehr, einen Homeschooling-Blog zu schreiben. Erst recht kein Tagebuch. Jetzt wo das öffentliche Leben für alle nach und nach wieder startet, ist es für mich (und ich denke ich spreche auch für den Rest der Familie) auch nicht mehr stimmig, so viel persönliches preiszugeben.

Lebe wohl, liebes Homeschooling-Tagebuch.

Was ich mir für die Zukunft vorstelle und auch vornehme, sind regelmässige Blogeinträge über meine Erfahrungen als Spielgruppenleiterin, Lernberaterin und Mutter dreier (Schul)Kinder. In welcher Form und wie häufig diese veröffentlicht werden kann ich heute noch nicht sagen. Diese Struktur wird aus dem neuen, alten Alltag heraus wachsen. Lassen wir uns alle überraschen.

Dieser Blogbeitrag entstand nach dem Nachtessen, währenddessen die Kinder einen Film schauten, der Mann für mich den Garten goss. Während ich die letzten Zeilen schrieb, hatte ich eine Zukunftsvision vor meinem inneren Auge. Dabei sitze ich an meinem Laptop in einem gemütlichen Tearoom oder Restaurant und schreibe konzentriert an einem Blogbeitrag. Ich schaue auf, zum Fenster hinaus und sehe draussen die Menschen durch die Strassen gehen.

Merci!

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 56

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Donnerstag, 7. Mai 2020

Heute ist freiwilliger Unterricht. Zumindest für zwei meiner Kinder. Die Lehrer*innen haben zwei Vorbereitungstage für den wieder startenden Präsenzunterricht erhalten. Es wurde den Schüler*innen frei gestellt, ob sie weiter am Schulstoff arbeiten wollen oder nicht. Bei uns wurde nicht lange diskutiert. Für mich war klar, dass mich nicht länger als nötig als Lernbegleiterin betätige. Zu gross wäre Kraftaufwand nebst all den Dingen, die ich sonst zu erledigen habe. Meine ausser Haus Tätigkeiten starten nächste Woche wieder und so habe ich mir ebenfalls zwei Vorbereitungstage verordnet, plus eine Erholungsphase, die ich nach diesen drei Fernunterrichts-Wochen dringend benötige. Auch die Kinder haben nicht lange überlegt. Das Pflichtbewusste war bereits in den Startlöchern und kramte Aufgabenblätter hervor, als das Kreativdenkende über all die Möglichkeiten zu referieren begann, welche zwei vogelfreie Tage zu bieten haben. Seither habe ich die beiden nur beim Zmittag gesehen.

Stopp, das stimmt so nicht ganz.

Es gab da noch eine Stunde, die wir nach dem Mittagessen gemeinsam im Garten auf der Bank, vor unserem neu installierten Wildbienenkasten, verbrachten. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den letzten Tagen, Wochen, Monate….Jahre (?) einmal so lange (oder überhaupt einmal?!) friedlich mit den beiden irgendwo gesessen und dabei kleinen Tieren bei der Arbeit zugesehen habe. Dabei haben wir gesprochen und nachgedacht. Es gab in diesem Gespräch philosophische Gedanken, naturpädagogische Fragen und Antworten und auch längere Diskussionen rund um die Familienhistorie.

Als wir dann nach einer Stunde auseinander gingen, hatte ich ein äusserst wohliges Gefühl in meiner Bauchgegend. Eigentlich war es auch eine Art Unterrichtsstunde, die wir da im Garten hatten. Unterrichtstunden gab es in den letzten Wochen einige. Keine davon hatte aber so zufriedenstellend geendet. Meist hatten wir zwar das befreiende Gefühl, etwas abgearbeitet zu haben, aber es fühlte sich nie wirklich befriedigend an. Dieses mal war es komplett anders. Wir konnten zwar nichts abhacken und es blieben viele Fragen offen, aber wir gingen gestärkt auseinander.

Ich freue mich so sehr, ab nächster Woche zu Hause einfach wieder nur Mutter sein zu dürfen und wünsche mir, dass solche Momente weiterhin Teil davon sein werden.

Gartenmandala by Sa

Dieser Beitrag habe ich draussen auf der Terrasse geschrieben, derweil zwei Kreative das Plantschbecken aus dem Keller geschleppt, aufgepumpt und mit Wasser gefüllt haben. Gleich danach, wurde sämtlicher Playmobilbesitz (ein Universum!) nach Draussen geschleppt und nun entsteht eine (zugegeben) unglaubliche Playmobilwelt. Natürlich war der Preis für diese ruhige Redaktionszeit, dass ich diese Betriebsamkeit ignoriert habe und mir bewusst bin, dass ich es bin, die am Abend die Kinder zum Aufräumen motivieren muss……….bzw. schlussendlich selber aufräumt.

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 54

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Dienstag, 5. Mai 2020

Eine Tür geht zu und eine andere auf

Herzlichen Dank all jenen, die sich nach meinem Beitrag von gestern Gedanken gemacht haben. Ich darf hier freudig verkünden, dass sich ein Tor aufgetan hat und ich eine (Übergangs-)Lösung gefunden habe. Sobald ich mein Sicherheitskonzept erstellt habe und alles spruchreif ist, werde ich auf der Homepage und per Newsletter entsprechend informieren.

Es geht weiter……und bleibt spannend.

Ansonsten befinden wir uns hier alle in einem Zwischenstadium. Das ist grad nicht einfach auszuhalten. Wir hatten es uns ja eigentlich gerade gemütlich gemacht, an alles gewöhnt und nun ist da die Aussicht auf erneute Umstellungen nächste Woche. Vieles wird sich wieder verändern. Zum positiven und auch zum negativen.

Zudem müssen wir uns (naja besonders ich), damit abfinden, dass einige Möglichkeiten und Chancen, die diese Corona-Zeit auch angeboten hat, nicht ausgeschöpft wurden. So habe ich z.B. KEIN einziges Buch gelesen, kein Referat erstellt, nie Ukulele geübt und auch die Nähmaschine nie angerührt. Auch all die Spiele die nie gespielt, Projekte die nicht realisiert oder die Filme die nicht geschaut wurden, werden wohl vorläufig keine tragende Rolle in unserem Leben spielen. So haben wir auch keine Rechtschreibprogramme, Reihentrainingsübungen und viel zu selten Evopäd©-Übungen gemacht. Ich habe nicht regelmässig (eigentlich nur zweimal) meditiert, habe nur 5 Wochen mein Spazierprogramm aufrecht erhalten und bin eher ausgebrannt, denn erholt. Alles vertane Chancen und ich hatte heute Vormittag wirklich schlechte Laune deswegen.

Mit etwas Abstand, Innehalten und neuem Überblick, kann ich relativeren. Wir haben nicht nichts gemacht. Wir haben unsere Prioritäten anders gesetzt, als es auch möglich gewesen wäre.

  • Wir haben viele lange Gespräche geführt
  • Ich habe 55 Blogbeiträge geschrieben (in täglichem Rhythmus)
  • Wir haben unseren ganzen Garten neu gestaltet, zwei Hochbeete errichtet, befüllt und angesetzt
  • Wir haben einzeln und als Familie harmonisiert, funktioniert und auch reagiert
  • Jedes Familienmitglied hat neue Fähigkeiten erworben (besonders technischer Natur)
  • Alle drei Kinder haben mindestens EIN Buch gelesen (freiwillig und unaufgefordert)
  • Alle Familienmitglieder haben regelmässig Sport betrieben (ebenfalls freiwillig und unaufgefordert)
  • Wir haben unendlich viel gemeinsame oder auch paarweise Quality-Time verbracht und genossen
  • Wir haben unser Daheim genossen und belebt
  • ALLE Familienmitglieder können nun Kaffee mahlen und kochen, Pfannkuchen backen, Wäsche zusammenlegen, rudimentär aufräumen, Staubsaugen, Tisch decken und abräumen und noch viele Haushaltdinge mehr
  • Ich weiss, dass ich unter Druck in relativ kurzer Zeit Informationsschreiben, Hygienekonzepte, Notfallpläne, Blogbeiträge etc. verfassen kann
  • Ich kann geschriebenes auch einfach mal veröffentlichen ohne es 1000 Mal zu hinterfragen und korrigieren (!!!!)
  • Ich kann mich abgrenzen, meine Bedürfnisse äussern und verteidigen
  • Das können die Kinder dank meinem Vorbild nun auch
  • Gleichzeitig haben wir uns im gegenseitigen Respekt geübt
  • Es braucht immer weniger als man denkt und es lässt sich vieles kreativ um-, ab- und verwandeln
  • Anderen helfen und Freude bereiten hilft und schenkt Trost (für beide Parteien)
  • Die Kinder kennen die “Schule” und den Lernprozess aus einer anderen Perspektive und haben sich damit praktisch auseinandergesetzt
  • Wir haben viele Beziehungen, Freundschaften und Bekanntschaften auf neuen Ebenen entdeckt und gepflegt
  • In der Theorie wusste ich, Evolutionspädagogik© ist unglaublich. Nun weiss ich, sie ist auch praktisch unglaublich Krisen- und Alltagstauglich!

Diese Liste ist nicht abschliessend und ist nicht halb so vielfältig, wie sie in Tatsache ist. Ich schliesse sie nun einfach ab, da die Küche ruft!

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 50

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Freitag, 1. Mai 2020

“Nach em Räge schiint d Sunne…”

Alles neu macht der Mai. Nicht sehr einfallsreich der Spruch ich weiss. Aber es klingt sehr hoffnungsvoll und das braucht es an solchen düsteren Regentagen wie diesen. Ich habe zu viel Zeitung gelesen, war zu lange in Internetforen und war vom Mann zu sehr beim Homeschooling entlastet. Das lässt düstere Gedanken hochkommen.

Natürlich gibt es auch positives. Im Nachhinein. Ich danke der Natur, dass sie im März und April so grosszügig auf all den Regen verzichtet hat und mich und meine Mitmenschen so verschwenderisch mit Sonnenschein, Wärme und Serotonin versorgt hat. Wäre die Wetterlage in den letzten Wochen wie die der beiden letzten Tage gewesen, wer weiss, wie wir die Zeit überstanden hätten. Deshalb sei ihr dieser Dauerregen auch zu gönnen.

Dazu passt ein heutiges Bonmot unserer Jüngsten und das teile ich hiermit gerne mit euch:

Ich helfe gerne, wenn jemand es braucht und erst recht, wenn es ernst ist.

Da Fischer, 9 Jahre

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 49


Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Donnerstag, 30. April 2020

Die Möglichkeit unmögliches zu schaffen – oder dem unmöglichen die Möglichkeiten auszuschöpfen

Heute hatte ich genug. Von Corona? Ach lassen wir Corona mal beiseite. Das ist in meinem Universum Alltag eigentlich recht belanglos. Momentan habe ich einfach genug von:

  • Mir Gedanken zu machen, wann ich den PC einmal für mich haben werde, um ein zwei Dinge zu erledigen
  • Das Kind erzählen zu lassen und zu merken, dass mir meine eigenen Gedanken nicht erlauben, ihm zuzuhören
  • Es trotzdem weitererzählen zu lassen
  • Mich deshalb als schlechte Mutter zu fühlen
  • Die Kinder ständig anzuspornen, doch einmal an einer Aufgabe dran zu bleiben und mich dabei selber zu fragen, wieso ich so töne, wie ich nie tönen wollte
  • Gedanklich durchzugehen, ob und welche Kinder bereits ihr Musikinstrument gespielt haben
  • Abzuwägen, ob man die Kinder aufschreckt, obwohl sie grad so schön beschäftigt sind (natürlich nicht am Schulstoff), damit sie ihre Instrumente üben, aufräumen etc…. (Liste ist beliebig verlängerbar)
  • Mich zu fragen, was es mittags zu essen gibt und ob die halbe Stunde die mir fürs kochen bleibt, überhaupt dafür reicht. Meist muss dann eh innert einer Viertelstunde gekocht sein
  • Mir zu sagen, dass ich eine gute Mutter bin und einfach die Umstände scheisse sind
  • Mich zu fragen, ob es nachlässig ist, den ganzen Tag kein einziges Mal die Nachrichten gehört zu haben
  • Nebst der vielen Schul-Onlinezeit der Kinder, am Nachmittag trotzdem die Ipads zu erlauben und sie damit sogar in ihre Zimmer zu schicken
  • Ständig abzuwägen ob es ok ist, die Aufgaben abzubrechen, wenn die Zeit Vorgabe abgelaufen ist.
  • Ständig abzuwägen ob es ok ist, das Kind weiter an den Aufgaben arbeiten zu lassen, wenn die Zeit Vorgabe abgelaufen ist
  • Zu merken, dass eine Evo-Übung für ein Kind sinnvoll wäre. Diese Feststellung zu verdrängen, weil ich jetzt einfach nicht auch noch Energie für eine Lernberatung habe
  • Mich alle halbe Stunde zu fragen, ob ich am Abend schon wieder eine Weinflasche öffnen soll/kann/darf
  • Mich ständig zu fragen, ob ich das Kind (multipliziert mit 3) nicht noch mehr, fördern, antreiben, in Ruhe lassen oder anhören sollte
  • Neid und Frustration zu verspüren, wenn der Mann zur Arbeit fahren kann
  • Neid und Frustration zu verspüren, wenn der Mann wieder Daheim von der Arbeit berichtet
  • Angst zu haben, wie das bloss wird, wenn all das Programm und die Verpflichtungen noch weiter zunehmen (Tag für Tag kommt wieder mehr dazu)
  • dass der Begriff “Schutzkonzept”, in meinem Kopf als Synonym “alles wird anstrengender, langsamer und komplizierter” abgespeichert ist
  • dass ich meine Gedanken nicht bremsen kann, um allem/allem Aufmerksamkeit zu schenken
  • dass ich meinen Gedanken nicht freien lauf lassen kann, weil ich allem/allen Aufmerksam schenke
  • diese Liste endlos erweiterbar ist

Das einzige was ich heute tun konnte ist, den Schultag abzubrechen und in den Gartenmarkt zu fahren. Meine Rettung ist nämlich momentan all die Zeit die ich im Garten verbringe. Es ist für mich Meditation, Anstrengung, etwas erschaffen und beobachten, wie sich daraus selbst etwas erschafft. Ich halte mich sozusagen an einer übergeordneten Gesetzmässigkeit fest, die mir im Gegensatz zu einer Pandemie, recht vertraut ist. Ausserdem kann ich dabei wunderbar aus dem Haus flüchten und bin trotzdem erreichbar. Es tat ausserordentlich gut neue Gartenbewohner kaufen zu können und nun ist mir auch total klar, weshalb die Gartencenter in der Öffnungsstrategie eine so grosse Rolle spielen. Also doch was gelernt. Auch die Kinder die dabei waren. Dazu steht bestimmt etwas im Lernplan21 und somit ist mein Gewissen frei von Schuld.

Am Nachmittag habe ich mir dann Lesezeit gegönnt. Diese ist tagsüber momentan eine Seltenheit und nachts verschlafe ich sie. Wobei, eingeschlafen bin ich dann auch…. Als ich aufwachte, lag eine freundliche Aufforderung auf mir drauf. Ja, machen wir mal weiter….

Von der Müdigkeit übermannt

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 46

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Montag, 27. April 2020

Über Veränderung und Wertschätzung

Heute hat sich für mich gerade zweimal die Gelegenheit ergeben, in einem persönlichen Gespräch über die Zukunft zu philosophieren. Nun versuche ich diese Gedanken hier in Worte zu fassen, denn es umtreibt mich gerade sehr. Es geht um die Zukunft des Schulsystems. Dass es für Schüler*innen und Lehrer*innen neue Perspektiven braucht, war bereits vor der Corona-Krise immer in der Diskussion. Neurologische- und gesellschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin, dass ein struktureller Wandel stattfinden sollte, um die Jugend für die Anforderungen der heutigen Welt zu rüsten. An vorderster Front stehen die Wirtschaftsunternehmen, die gutgerüstete Berufsleute fordern, um sie für ein möglichst grosses Wachstum am Markt und dem Wettbewerb einzusetzen. Aber unabhängig davon, ist es ein gesellschaftliches Thema, über welche Fähigkeiten die heranwachsende Generation, für eine positive und glückliche Zukunft verfügen sollte.

Nun frage ich mich inmitten dieser ganzen Krise, als Mutter von drei Daheim beschulten Kindern. Welchen Wandeln wird sich durch diese Krise ergeben? Schüler*innen und Lehrer*innen werden danach schier Unmögliches geleistet haben. Lehrpersonen haben ihren Unterricht adaptiert, haben Weisungen und innovative Ideen umgesetzt, haben sich mit neuen technischen Möglichkeiten arrangiert und haben alles gegeben um Schüler*innen gerecht zu werden. Die Schüler*innen wiederum haben versucht umzusetzen, was von ihnen verlangt wird, haben nicht zuletzt für ihre Lehrer*innen alles gegeben und entdeckt, dass es für Lernerfahrungen nicht per se ein Schulzimmer braucht.

Nun sind alle in den Startlöchern. Am 11. Mai wird die Schule wieder losgehen. Es ist uns allen zu wünschen. Es scheint mir, wären die meisten davon überzeugt, dass an diesem Datum einfach zum Normalbetrieb zurückgekehrt werden kann. Ja, es wird wieder Schule im Schulhaus stattfinden, aber ich vermute, dass sich nicht wie “Normalbetrieb” anfühlen wird. Nicht, weil vielleicht die Klassengrössen angepasst werden, der Unterricht öfter draussen stattfindet, keine Lager oder Schulreisen durchgeführt werden…. Nein, ich meine nicht die coronabedingten Anpassungen, die uns sowieso noch lange begleiten werden. Ich meine, dass ausnahmslos alle (!) Kinder und Lehrer*innen neue Erfahrungen gemacht haben, die nun Einfluss auf den wiederkehrende Schulalltag nehmen werden. Welche das sind, das kann niemand sagen und sie sind sicher auch individuell. Was es sein wird und in welchem Ausmass, da müsste man Wahrsager*in sein. Ich persönlich habe die heimliche Hoffnung oder auch nur den Wunsch, dass die grösste Veränderung von Seite des kleinsten und einflusslosesten (auch verletzlichsten) Teil des Schulsystems, den Schüler*innen, ins Rollen gebracht wird. Meine zweite Hoffnung ist, dass die Lehrer*innen wiederum dieses “Pflänzchen” (es wird bestimmt ein feines, kleines) hegen und pflegen werden. Diese einmalige Chance gilt es bitte zu nutzen.

Zu guter Letzt habe ich noch eine Hoffnung, die sich unbedingt bewahrheiten sollte, denn sonst bin ich wirklich in meinen Grundfesten erschüttert. Ich hoffe, dass sich in unserer Gesellschaft eine Dankbarkeit gegenüber dem verletzlichsten Bevölkerungsteil einstellt. Ja, sie sind verletzlich, auch wenn sie keiner Risikogruppe angehören und scheinbar auch nicht von Corona bedroht sind. Dennoch haben sie einen grossen Verzicht ausüben müssen und anders als bei anderen Bevölkerungsgruppen, beruhte der Entscheid bei ihnen nicht auf Freiwilligkeit. Sie wurden nicht gefragt. Es wurde für sie entschieden. All den Vorschul-, Kindergarten-, Primarschulkinder, die Oberstufenschüler*innen, die Studenten und Berufsschulschüler*innen, die all die Wochen zu Hause geblieben sind und unter erschwerten (bestimmt zuweilen auch schwierigen) Bedingungen an ihren Lernzielen gearbeitet haben, gebührt Anerkennung und Wertschätzung. Es ist kein wirtschaftlicher Verlust, der in diese Wochen mit der Heimbeschulung entstanden ist. Aber es ist ein grosser menschlicher Verlust, wenn von einer, nicht finanziell messbaren Leistung, kein Notiz genommen und noch schmerzlicher, wenn einfach wie vorher weitergemacht wird.

Danke, danke, danke liebe Kinder und Jugendliche!

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 43

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Freitag, 24. April 2020

Lernbegleitung vs Eltern-Kindbeziehung

Eine Woche wäre geschafft. Vor uns steht ein unbelastetes Wochenende an dem wir nichts vor haben, als einfach Daheim zu bleiben. Wer uns kennt weiss, dass dies vor einigen Wochen nur ganz selten der Fall war. Als unternehmungslustige Familie ist bei uns immer etwas los und wir sind viel unterwegs. Erstaunlicherweise ist das so gar kein Bedürfnis mehr und bereits 6 Wochen haben bewirkt, dass bei uns allen nicht einmal der Gedanken kommt, wir könnten irgendwohin fahren. Meine Reisen finden dann statt, wenn ich mich gedanklich auf die Zeitungslektüre einlassen kann. Einen ruhige Minute dafür zu finden, ist schon unglaublich beschwerlich und ist vergleichbar mit einem steinigen Weg, der vorab zu absolvieren ist. Alltägliche Dinge benötigen viel Energie. Ruhige Minuten sind kostbar und selten. Ausser in einem Fall –

nämlich wenn für die Schule gearbeitet werden muss. Heute Morgen war es für lange Zeit sehr ruhig. Sehr ruhig. Irgendeinmal kam mir der Gedanke: die Kinder flüchten! Es gibt dafür auch einen Grund. In der Nähe der Mutter zu sein, bedeutet an einem Heimschultag immer mit der Frage “Woran arbeitest du gerade?” konfrontiert zu werden. Nicht gerade eine gute Entwicklung. Ich deute es so, dass die Eigenmotivation für die Schulaufgaben fehlt. Mit meiner Person hat es nichts zu tun, denn sobald die Lernzeit vorbei ist und am Nachmittag jeder seinen Tätigkeiten nachgehen könnte und auch ein stückweit sollte, bin ich so gefragt, dass mir kaum mehr Raum für mich selber bleibt. Die Kinder benötigen demnach offensichtlich Nähe von mir, flüchten aber in die Distanz wenn sie erwarten, dass ich sie mit den Lernanforderungen konfrontiere. Diese Situation schreit danach, dass wir nächste Woche an einer Lösung tüfteln. Ich vermute aber bereits, dass sich evolutionspädagogisch auf der Stufe der Gefühlssicherheit eine Lösung findet.

Jetzt geniessen wir aber fürs erste mal das Wochenende und ich wünsche uns eine entspannte, unbeschwerte Familienzeit.

Wenn ein Kind die Neugier entdeckt

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 40

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Dienstag, 21. April 2020

Noch gegensätzlicher konnte der heutige Tag zum gestrigen gar nicht sein. Um 10.00 Uhr hatte mir jedes der Kinder, unabhängig von seinen Geschwister versichert, wie viel einfacher es doch heute im Vergleich zu gestern sei. Mein Mann erkundigte sich im Verlauf der zweiten Morgenhälfte per Whatsapp bei mir, wie es denn mit dem Homeschooling so klappe und ich konnte (selber verblüfft) schreiben, dass wirklich alles wie am Schnürchen lief. Als hätte der erste Schultag als reinigendes Gewitter über uns hinweg ziehen müssen, um dann den zweiten im neuen Licht erstrahlen zu lassen.

Kuchenglück

Ich schaffte es im Verlauf des Vormittags sogar einen Bananen-Kuchen zu backen. Die einzige Herausforderung daran war, mit den Geräuschen der Küchenmaschine nicht die Zoom-Konferenz des Sohns stören. Das konnte mit Kopfhörern wunderbar gelöst werden. Sowieso finde ich diese Zoom-Klassenzusammenkünfte eine tolle Sache. Nicht nur weil die Kinder diese so mögen sondern auch, weil es mir etwas Luft verschafft. Während ein Kind vom Lehrer virtuell unterrichtet wird, kann ich mich währenddessen gezielter den anderen beiden widmen. Besonders unsere beiden jüngsten benötigen viel Aufmerksamkeit. Sie benötigen auch im regulären Unterricht zusätzliche Förderung und angepassten Unterrichtsstoff. So ist es für mich eine Gratwanderung, wo ich nun unterstützen und wo ich fordern soll. Ungemein motivierend erlebe ich die Zusammenarbeit mit allen Lehrer*innen. Seien es Klassenlehrer*innen, Musiklehrer*innen, Religionslehrer*innen, sie alle melden sich über diverse Kanäle und haben sich überlegt wie der Schulstoff vermittelt werden kann und soll. Wenn es irgendwo hackt, stehen sie mit Rat und Tat zur Seite. Die meisten von ihnen beschulen oder betreuen nebenbei ihre eigenen Kinder. Wir sitzen im selben Boot. Das gibt gegenseitiges Verständnis und motiviert ungemein, es gemeinsam zu schaffen. Unmögliches wird derzeit möglich gemacht. Krisen sind der Nährboden für neue Perspektiven und kreative Lösungen. Wir stehen nach 6 Wochen bereits an einem Punkt, den keine/r für möglich gehalten hat. Das Schulsystem verändert sich und alle, Lehrer*innen, Schüler*innen, Eltern, sind zwangsläufig beteiligt. Es wird kein “wie vorher” mehr geben, denn alle sind schlussendlich im “danach”. Wenn wir uns später an diese Zeit erinnern, werden wir uns fragen, wie wir das bloss geschafft haben.

Mein Mann absolviert derzeit eine höhere Fachhochschule und diese hat es im Gegenzug bis zum heutigen Tag nicht geschafft einen virtuellen Unterricht zu organisieren! Dort werden (Corona-lose) Zeiten abgewartet, die nie mehr kommen werden.

Mit der Evolutionspädagogik© im Fluss

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 39

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Montag, 20. April 2020

Heute Mittag war ich Schweiss gebadet und wäre am liebsten davon gerannt. Zum Glück hat sich gegen den Abend hin alles wieder etwas relativiert. Die Balance und den Überblick finden war meine heutige Herausforderung. Durch den Tag konnte ich das Gleichgewicht bereits durch etwas jonglieren wiederfinden. Bei Waldspaziergang am Abend habe ich mich beim balancieren auf den Baumstämmen geübt und ich bin nun guter Dinge, dass es morgen besser wird.

Bereit für den kurzen Schulbesuch

Alle drei Kinder haben heute ihren Schulweg zu ihren Schulhäusern absolviert, haben dort ihre Lehrer*innen gesehen und konnten anschliessend eine Ladung mit gebündelten Aufgaben mit nach Hause nehmen. Zu Hause war das Chaos perfekt. So viele Informationen und Anforderungen. Die Gefühle waren in Aufruhr. Wir sind so viele Eindrücke (schon) nicht mehr gewohnt. Bei den Kindern ist die Wehmut gross, keinen regulären Unterricht besuchen zu können. Das wurde ihnen heute von neuem ins Bewusstsein gerufen. Bereits nach der ersten Arbeitsstunde war die Ernüchterung gross. Aufgaben sind gut und recht, aber es hat auch sehr vieles dabei, was eine Herausforderung ist und es stellt sich die Frage wie das bewältigt werden soll. Nun ja, dafür bin ja ich da….. Nach dem Vormittag war ich ernüchtert. Es ist zwar alles gut strukturiert (man sieht und spürt wie viel Zeit und Energie die Lehrer*inne in den letzten drei Wochen aufgewandt haben), aber es braucht bei den meisten Aufgaben jemand der daneben sitzt. Kurz etwas erklären, motivieren, aufmuntern, überprüfen und anleiten (gerade bei all den neuen Medien die derzeit dazu kommen). Bei allen drei Kindern braucht es meine Präsenz. Es gilt also in den nächsten Tagen und Wochen wieder neu auszuloten, wie wir unser Gleichgewicht finden. Ich kann (und will) nicht 100 % Lehrerin sein. Der Haushalt, die Küche (um 12.00 Uhr haben wir alle Hunger) und meine sonstigen Verpflichtungen (langsam habe ich wieder erste Vorbereitungsarbeiten und -termine) lassen das nicht zu. Abgesehen davon, dass ich meine Kräfte auch einteilen muss. Es ist kein Wellness- und Erholungsurlaub für mich in Sicht, wenn die Schule am 11.Mai 2020 wieder startet. Im Gegenteil, bei mir startet im besten Fall dann auch wieder der neue, alte Alltag.

Der Sohn richtet sich seinen Arbeitsplatz für die Zoom Konferenz ein. Stressige neue Situationen versetzen ihn jeweils in die Amphibien-Stufe und er sucht dann den Rückzug. Nun gilt es seine Neugier zu wecken. Praktischerweise ist er sehr medieninteressiert und das wird dieses Mal gut gelingen.

Absolutes Highlight für die ganze Familie war die heutige Zoom-Konferenz der jüngsten Tochter. Es war das erste Mal, dass wir diese Erfahrung machen konnten. Obwohl man überall nur die 3./4. Klässler*innen auf den Bildausschnitten sah, waren überall Geschwisterkinder und Eltern im Hintergrund dabei. Immer mal wieder sah man einen Haarschopf, einen Arm oder Kopf am Bildrand. Unsere 3. Klässlerin sass andächtig vor dem Bildschirm und ihr gegenüber oder zu Füssen sassen ihre Geschwister und ich. So stelle ich mir vor, sassen unsere Vorfahren ums Lagerfeuer oder später dann vor den ersten Fernseher.

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 37

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Samstag, 18. April 2020

Immer das Ziel vor Augen

Wir sind bereit für den Schulstart nach drei Wochen Frühlingsferien. Jedes Kind ist in Besitz eines detaillierten Stunden- und Arbeitsplans. Im Gegensatz zu den Aufgabenstellungen vor den Ferien, ist nur noch wenig Freiraum für individuelle Arbeitseinteilung. Alle drei haben feste Zeiten, für Videokonferenzen mit ihren Klassen oder Teilklassen via Zoom oder Teams. Das sorgt bei den Kindern bereits für viel Vorfreude, Nervosität und Spekulationen. Wie wird es sein, wenn die Klasse virtuell zusammentrifft? Was wird dann besprochen und wird man dann alle Klassenkamerad*innen sehen? Weiteres Highlight wird der Besuch im Klassenzimmer sein, denn jedes am Montag machen darf. Zu festgelegten Zeiten und in kleinen Gruppen, dürfen die Schüler*innen ihr Schulmaterial abholen.

Ich erhoffe mir von dem strukturierten Unterrichtsprogramm, dass ich für mich mehr Freiraum haben werde, weil ich nicht mehr die Struktur für den Lernalltag vorgeben muss. Wünschen täte ich es mir, denn bei mir stehen nächste Wochen auch wieder erste Termine an und der berufliche Restart muss aufgegleist werden.