Immer Sonntags…ein Gedankenspiel aus der Evopäd®

Wenn wir selbst nicht in der Lage sind, mit einer Herausforderung fertig zu werden, das innere Gleichgewicht wieder herzustellen, brauchen wir einen äusseren Reiz, das Gefühl, in eine bedeutende Handlung eingebunden zu sein, wir brauchen jemanden, der an uns glaubt und uns Hoffnung gibt. Dadurch wird das Gehirn angeregt, sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Satz 191 aus “260 starke Sätze aus der Evolutionspädagogik – Ein Appell an die Gesellschaft” von Ludwig Kroneberg und Silke Gramer-Rottler

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 49


Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Donnerstag, 30. April 2020

Die Möglichkeit unmögliches zu schaffen – oder dem unmöglichen die Möglichkeiten auszuschöpfen

Heute hatte ich genug. Von Corona? Ach lassen wir Corona mal beiseite. Das ist in meinem Universum Alltag eigentlich recht belanglos. Momentan habe ich einfach genug von:

  • Mir Gedanken zu machen, wann ich den PC einmal für mich haben werde, um ein zwei Dinge zu erledigen
  • Das Kind erzählen zu lassen und zu merken, dass mir meine eigenen Gedanken nicht erlauben, ihm zuzuhören
  • Es trotzdem weitererzählen zu lassen
  • Mich deshalb als schlechte Mutter zu fühlen
  • Die Kinder ständig anzuspornen, doch einmal an einer Aufgabe dran zu bleiben und mich dabei selber zu fragen, wieso ich so töne, wie ich nie tönen wollte
  • Gedanklich durchzugehen, ob und welche Kinder bereits ihr Musikinstrument gespielt haben
  • Abzuwägen, ob man die Kinder aufschreckt, obwohl sie grad so schön beschäftigt sind (natürlich nicht am Schulstoff), damit sie ihre Instrumente üben, aufräumen etc…. (Liste ist beliebig verlängerbar)
  • Mich zu fragen, was es mittags zu essen gibt und ob die halbe Stunde die mir fürs kochen bleibt, überhaupt dafür reicht. Meist muss dann eh innert einer Viertelstunde gekocht sein
  • Mir zu sagen, dass ich eine gute Mutter bin und einfach die Umstände scheisse sind
  • Mich zu fragen, ob es nachlässig ist, den ganzen Tag kein einziges Mal die Nachrichten gehört zu haben
  • Nebst der vielen Schul-Onlinezeit der Kinder, am Nachmittag trotzdem die Ipads zu erlauben und sie damit sogar in ihre Zimmer zu schicken
  • Ständig abzuwägen ob es ok ist, die Aufgaben abzubrechen, wenn die Zeit Vorgabe abgelaufen ist.
  • Ständig abzuwägen ob es ok ist, das Kind weiter an den Aufgaben arbeiten zu lassen, wenn die Zeit Vorgabe abgelaufen ist
  • Zu merken, dass eine Evo-Übung für ein Kind sinnvoll wäre. Diese Feststellung zu verdrängen, weil ich jetzt einfach nicht auch noch Energie für eine Lernberatung habe
  • Mich alle halbe Stunde zu fragen, ob ich am Abend schon wieder eine Weinflasche öffnen soll/kann/darf
  • Mich ständig zu fragen, ob ich das Kind (multipliziert mit 3) nicht noch mehr, fördern, antreiben, in Ruhe lassen oder anhören sollte
  • Neid und Frustration zu verspüren, wenn der Mann zur Arbeit fahren kann
  • Neid und Frustration zu verspüren, wenn der Mann wieder Daheim von der Arbeit berichtet
  • Angst zu haben, wie das bloss wird, wenn all das Programm und die Verpflichtungen noch weiter zunehmen (Tag für Tag kommt wieder mehr dazu)
  • dass der Begriff “Schutzkonzept”, in meinem Kopf als Synonym “alles wird anstrengender, langsamer und komplizierter” abgespeichert ist
  • dass ich meine Gedanken nicht bremsen kann, um allem/allem Aufmerksamkeit zu schenken
  • dass ich meinen Gedanken nicht freien lauf lassen kann, weil ich allem/allen Aufmerksam schenke
  • diese Liste endlos erweiterbar ist

Das einzige was ich heute tun konnte ist, den Schultag abzubrechen und in den Gartenmarkt zu fahren. Meine Rettung ist nämlich momentan all die Zeit die ich im Garten verbringe. Es ist für mich Meditation, Anstrengung, etwas erschaffen und beobachten, wie sich daraus selbst etwas erschafft. Ich halte mich sozusagen an einer übergeordneten Gesetzmässigkeit fest, die mir im Gegensatz zu einer Pandemie, recht vertraut ist. Ausserdem kann ich dabei wunderbar aus dem Haus flüchten und bin trotzdem erreichbar. Es tat ausserordentlich gut neue Gartenbewohner kaufen zu können und nun ist mir auch total klar, weshalb die Gartencenter in der Öffnungsstrategie eine so grosse Rolle spielen. Also doch was gelernt. Auch die Kinder die dabei waren. Dazu steht bestimmt etwas im Lernplan21 und somit ist mein Gewissen frei von Schuld.

Am Nachmittag habe ich mir dann Lesezeit gegönnt. Diese ist tagsüber momentan eine Seltenheit und nachts verschlafe ich sie. Wobei, eingeschlafen bin ich dann auch…. Als ich aufwachte, lag eine freundliche Aufforderung auf mir drauf. Ja, machen wir mal weiter….

Von der Müdigkeit übermannt

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 39

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Montag, 20. April 2020

Heute Mittag war ich Schweiss gebadet und wäre am liebsten davon gerannt. Zum Glück hat sich gegen den Abend hin alles wieder etwas relativiert. Die Balance und den Überblick finden war meine heutige Herausforderung. Durch den Tag konnte ich das Gleichgewicht bereits durch etwas jonglieren wiederfinden. Bei Waldspaziergang am Abend habe ich mich beim balancieren auf den Baumstämmen geübt und ich bin nun guter Dinge, dass es morgen besser wird.

Bereit für den kurzen Schulbesuch

Alle drei Kinder haben heute ihren Schulweg zu ihren Schulhäusern absolviert, haben dort ihre Lehrer*innen gesehen und konnten anschliessend eine Ladung mit gebündelten Aufgaben mit nach Hause nehmen. Zu Hause war das Chaos perfekt. So viele Informationen und Anforderungen. Die Gefühle waren in Aufruhr. Wir sind so viele Eindrücke (schon) nicht mehr gewohnt. Bei den Kindern ist die Wehmut gross, keinen regulären Unterricht besuchen zu können. Das wurde ihnen heute von neuem ins Bewusstsein gerufen. Bereits nach der ersten Arbeitsstunde war die Ernüchterung gross. Aufgaben sind gut und recht, aber es hat auch sehr vieles dabei, was eine Herausforderung ist und es stellt sich die Frage wie das bewältigt werden soll. Nun ja, dafür bin ja ich da….. Nach dem Vormittag war ich ernüchtert. Es ist zwar alles gut strukturiert (man sieht und spürt wie viel Zeit und Energie die Lehrer*inne in den letzten drei Wochen aufgewandt haben), aber es braucht bei den meisten Aufgaben jemand der daneben sitzt. Kurz etwas erklären, motivieren, aufmuntern, überprüfen und anleiten (gerade bei all den neuen Medien die derzeit dazu kommen). Bei allen drei Kindern braucht es meine Präsenz. Es gilt also in den nächsten Tagen und Wochen wieder neu auszuloten, wie wir unser Gleichgewicht finden. Ich kann (und will) nicht 100 % Lehrerin sein. Der Haushalt, die Küche (um 12.00 Uhr haben wir alle Hunger) und meine sonstigen Verpflichtungen (langsam habe ich wieder erste Vorbereitungsarbeiten und -termine) lassen das nicht zu. Abgesehen davon, dass ich meine Kräfte auch einteilen muss. Es ist kein Wellness- und Erholungsurlaub für mich in Sicht, wenn die Schule am 11.Mai 2020 wieder startet. Im Gegenteil, bei mir startet im besten Fall dann auch wieder der neue, alte Alltag.

Der Sohn richtet sich seinen Arbeitsplatz für die Zoom Konferenz ein. Stressige neue Situationen versetzen ihn jeweils in die Amphibien-Stufe und er sucht dann den Rückzug. Nun gilt es seine Neugier zu wecken. Praktischerweise ist er sehr medieninteressiert und das wird dieses Mal gut gelingen.

Absolutes Highlight für die ganze Familie war die heutige Zoom-Konferenz der jüngsten Tochter. Es war das erste Mal, dass wir diese Erfahrung machen konnten. Obwohl man überall nur die 3./4. Klässler*innen auf den Bildausschnitten sah, waren überall Geschwisterkinder und Eltern im Hintergrund dabei. Immer mal wieder sah man einen Haarschopf, einen Arm oder Kopf am Bildrand. Unsere 3. Klässlerin sass andächtig vor dem Bildschirm und ihr gegenüber oder zu Füssen sassen ihre Geschwister und ich. So stelle ich mir vor, sassen unsere Vorfahren ums Lagerfeuer oder später dann vor den ersten Fernseher.

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 31

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Ostersonntag, 12. April 2020

Erlebnis Schreibmaschine

Die Evolutionspädagogik beschäftigt sich mit dem “Wie” und weniger mit dem “Was” beim Lernen.

Unter Pädagogik wird immer noch überwiegend nur die Stoffvermittlung verstanden. Dass der/die Lernende dabei im “Gleichgewicht” sein muss, wird weder erkannt noch beachtet.

Satz 77 aus “260 starke Sätze aus der Evolutionspädagogik – Ein Appell an die Gesellschaft” von Ludwig Kroneberg und Silke Gramer-Rottler

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 27

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Mittwoch, 8. April 2020

Wir hatten heute Besuch. Mit dem nötigen Sicherheitsabstand, draußen an der frischen Luft. Mehrmals musste ich mich zusammennehmen, um nicht zu knuddeln, zu herzen oder zumindest die Hand zu geben. Verrückt. Es war wohl meine Begeisterung darüber, wieder einmal einen direkten zwischenmenschlichen Kontakt zu haben. Ich bin mir fast sicher, dass ich nach dieser Coronazeit wahllos Menschen umarmen werde. Ich, die sonst eher lieber nie die Hand gibt und gewettet hätte, dass mir sowas wie “Physical distancing”, keine Mühe macht. (“Social distancing” wäre da viel schlimmer für mich, aber das löse ich wie alle anderen mit Handy und Co. recht befriedigend). Da habe ich wieder etwas neues über mich gelernt.

Die Kinder waren heute sehr fürsorglich. Nach meinem Hänger gestern, war die Stimmung heute viel positiver. Besonders dank ihnen. Es rührt mich zu sehen, wie sie sich individuell in unsere Gemeinschaft einbringen und sich Gedanken machen, was sie helfen können. Einmal mehr bin ich froh, dass ich diese Situation mit dieser, meiner Familie durchleben darf.

Eines ist klar, es braucht eine gute Kommunikation. Auch zwischen uns Erwachsenen. Während mein Mann kaum Luft holen kann, vor lauter Verpflichtungen für Job und Familie, sitze ich hier mit gebundenen Händen. Während wir gestern kurz davor waren deswegen einen Streit vom Zaun zu brechen, konnten wir es dann auf dem letzten Zacken in einem positiven Gespräch klären. Denn seine Situation ist wie sie ist. Er darf darüber klagen und sagen, wenn von uns zu viele Forderungen kommen. Gleichzeitig ist meine Situation wie sie ist. Ich habe aber genauso das Recht darüber zu klagen, Forderungen und Wünsche zu stellen. Wir lassen uns gegenseitig reden, hören wertfrei zu und dann gilt es miteinander eine Lösung zu finden die für beide stimmt. Das klappt gut, denn wenn keiner von beiden das Gefühl hat seinen Standpunkt verteidigen zu müssen, dann ist der Kopf frei für neues. Schon wieder etwas gelernt.

Mein gestriges Ungleichgewicht hat sich zum Gleichgewicht gewandelt. Ich staune, bin froh und dankbar.

Säugetiere im Gleichgewicht