Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 46

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Montag, 27. April 2020

Über Veränderung und Wertschätzung

Heute hat sich für mich gerade zweimal die Gelegenheit ergeben, in einem persönlichen Gespräch über die Zukunft zu philosophieren. Nun versuche ich diese Gedanken hier in Worte zu fassen, denn es umtreibt mich gerade sehr. Es geht um die Zukunft des Schulsystems. Dass es für Schüler*innen und Lehrer*innen neue Perspektiven braucht, war bereits vor der Corona-Krise immer in der Diskussion. Neurologische- und gesellschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin, dass ein struktureller Wandel stattfinden sollte, um die Jugend für die Anforderungen der heutigen Welt zu rüsten. An vorderster Front stehen die Wirtschaftsunternehmen, die gutgerüstete Berufsleute fordern, um sie für ein möglichst grosses Wachstum am Markt und dem Wettbewerb einzusetzen. Aber unabhängig davon, ist es ein gesellschaftliches Thema, über welche Fähigkeiten die heranwachsende Generation, für eine positive und glückliche Zukunft verfügen sollte.

Nun frage ich mich inmitten dieser ganzen Krise, als Mutter von drei Daheim beschulten Kindern. Welchen Wandeln wird sich durch diese Krise ergeben? Schüler*innen und Lehrer*innen werden danach schier Unmögliches geleistet haben. Lehrpersonen haben ihren Unterricht adaptiert, haben Weisungen und innovative Ideen umgesetzt, haben sich mit neuen technischen Möglichkeiten arrangiert und haben alles gegeben um Schüler*innen gerecht zu werden. Die Schüler*innen wiederum haben versucht umzusetzen, was von ihnen verlangt wird, haben nicht zuletzt für ihre Lehrer*innen alles gegeben und entdeckt, dass es für Lernerfahrungen nicht per se ein Schulzimmer braucht.

Nun sind alle in den Startlöchern. Am 11. Mai wird die Schule wieder losgehen. Es ist uns allen zu wünschen. Es scheint mir, wären die meisten davon überzeugt, dass an diesem Datum einfach zum Normalbetrieb zurückgekehrt werden kann. Ja, es wird wieder Schule im Schulhaus stattfinden, aber ich vermute, dass sich nicht wie “Normalbetrieb” anfühlen wird. Nicht, weil vielleicht die Klassengrössen angepasst werden, der Unterricht öfter draussen stattfindet, keine Lager oder Schulreisen durchgeführt werden…. Nein, ich meine nicht die coronabedingten Anpassungen, die uns sowieso noch lange begleiten werden. Ich meine, dass ausnahmslos alle (!) Kinder und Lehrer*innen neue Erfahrungen gemacht haben, die nun Einfluss auf den wiederkehrende Schulalltag nehmen werden. Welche das sind, das kann niemand sagen und sie sind sicher auch individuell. Was es sein wird und in welchem Ausmass, da müsste man Wahrsager*in sein. Ich persönlich habe die heimliche Hoffnung oder auch nur den Wunsch, dass die grösste Veränderung von Seite des kleinsten und einflusslosesten (auch verletzlichsten) Teil des Schulsystems, den Schüler*innen, ins Rollen gebracht wird. Meine zweite Hoffnung ist, dass die Lehrer*innen wiederum dieses “Pflänzchen” (es wird bestimmt ein feines, kleines) hegen und pflegen werden. Diese einmalige Chance gilt es bitte zu nutzen.

Zu guter Letzt habe ich noch eine Hoffnung, die sich unbedingt bewahrheiten sollte, denn sonst bin ich wirklich in meinen Grundfesten erschüttert. Ich hoffe, dass sich in unserer Gesellschaft eine Dankbarkeit gegenüber dem verletzlichsten Bevölkerungsteil einstellt. Ja, sie sind verletzlich, auch wenn sie keiner Risikogruppe angehören und scheinbar auch nicht von Corona bedroht sind. Dennoch haben sie einen grossen Verzicht ausüben müssen und anders als bei anderen Bevölkerungsgruppen, beruhte der Entscheid bei ihnen nicht auf Freiwilligkeit. Sie wurden nicht gefragt. Es wurde für sie entschieden. All den Vorschul-, Kindergarten-, Primarschulkinder, die Oberstufenschüler*innen, die Studenten und Berufsschulschüler*innen, die all die Wochen zu Hause geblieben sind und unter erschwerten (bestimmt zuweilen auch schwierigen) Bedingungen an ihren Lernzielen gearbeitet haben, gebührt Anerkennung und Wertschätzung. Es ist kein wirtschaftlicher Verlust, der in diese Wochen mit der Heimbeschulung entstanden ist. Aber es ist ein grosser menschlicher Verlust, wenn von einer, nicht finanziell messbaren Leistung, kein Notiz genommen und noch schmerzlicher, wenn einfach wie vorher weitergemacht wird.

Danke, danke, danke liebe Kinder und Jugendliche!

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 22

Freitag, 3. April 2020

Heute stelle ich hier ein Instagram-Post ein, welches ich vergangenes Jahr, nach dem Besuch eines Chorkonzerts des Vokalensembles “Stimmbad 11” mit dem Namen “Totentanz & Himmelslust”, verfasst hatte. Das Konzert hatte mich bewogen mich gedanklich über mein Leben und dem dazugehörigen Tod auseinanderzusetzen. Ich könnte jetzt schreiben, diese Gedanken sind aktueller, gefragter denn je. Was ja überhaupt nicht stimmt, denn das Ende des irdischen Lebens ist bei jedem Menschen naturgemäss von einem Atemzug zu nächsten allgegenwärtig. Es ist nur nicht immer in unserem Bewusstsein (dem bewussten Denken).

Totentanz von Hugo Distler – Wer die Musik hören will, findet sie auf Spotify

Gedanken zum Tod – Manifest für mein Leben


Letzten Sonntag habe ich ein wundervolles Chorkonzert des Vokalenensemble Stimmband 11 mit dem Namen «Totentanz & Himmelslust» besucht. Im Zentrum des Konzerts stand der Totentanz von Hugo Distler.

Die ganze Inszenierung hat mich tief bewegt. Ich lag in der Nacht wach und habe mich auf das Thema Tod eingelassen. Bewusst schreibe ich hier eingelassen, denn nur allzu gern verdränge ich aufkommende Gedanken, die meine Endlichkeit auf dieser Erde anbelangen.

Aber ist es sinnvoll, dem Tod Präsenz im Alltag zu geben? Ich komme zum Schluss, dass es durchaus gesund ist, auszuloten, was mir der Übergang, vom bekannten in einen unbekannten Zustand, bedeutet. Dabei stellt sich nicht die Frage, ob ich es kann, denn wie bei der Geburt, ist das «Programm» in mir angelegt. Es kann nichts schief gehen und es entzieht sich meinem Einfluss, wann der natürliche Zeitpunkt sein wird. Wenn auch der Tod bereits ein unsichtbarer Begleiter durch mein ganzes Leben ist. Bereits nach der Geburt begann der Sterbeprozess, das Ende kommt unwillkürlich näher. Was zunächst nicht fühlbar ist und in jugendlicher Fülle keine Rolle spielt, wird mit dem Alter klarer und deutlicher.

Aber was fange ich nun mit all diesen Erkenntnissen an?

Das tief in mir angelegte Wissen, dass meine Endlichkeit zum Lebewesen – Mensch sein gehört, gibt mir ein Vertrauen in die Prozesse, die unausweichlich und unabänderlich sind. Einfach da sein ist genug. Gleichzeitig habe ich die Macht meinem Leben im jetzt Sinn und Bedeutung zu geben. Die (Lebens-)Zeit ist kostbar. Ich allein entscheide, womit ich sie fülle, mit wem teilen und wann verschwenden will. Meinen Einfluss will ich nutzen und er wird bedeutungsvoll, wenn ich dereinst erfüllt und gesättigt von dieser Welt gehen will.

Der Tod an meiner Seite ist mir dabei ein Gefährte und Wegweiser. Dieses vertrauensvolle Bewusstsein, erlaubt es mir meine Lebens- und Schöpferkraft zu entfalten.

Hinhören, hinschauen, hinsehen!