Von der Kunst glücklich loszulassen oder das Ende eines Spielgruppenjahres

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu. Manche üben sich im Durchhalten, andere motivieren sich mit dem Ausblick der langen unbeschwerten Sommerferien. So oder so, der Abschied naht, sei es für die Kinder, die Eltern oder die Lehrer*innen. In dieser Phase geprägt vom Rückblick und vom Vorausschauen, stellt sich die Frage, was haben wir erreicht? Was hat sich getan? Sind wir gewachsen? Haben wir uns verändert?

Manchmal hilft da ein Zeugnis, ein Feedback des Chefs/der Chefin oder ein sonstiger Leistungsnachweis. Viel befriedigender ist es jedoch, wenn es da einen Moment gibt, bei dem ich spüren kann, genau so soll es sein. Dieser Moment und sei er nur ein Augenblick, hat das Potential, mir zu sagen, du hast etwas erreicht, es war dir wichtig, du hast alles gegeben und es ist genau so wie es sein sollte. Dies zu erkennen und zu erfahren ist ein grosses Glück und der nachhaltigste Lohn für eine erbrachte Leistung.

Als wir heute in der Spielgruppe noch etwas Zeit auf dem Spielplatz verbrachten, setzte ich mich in den Schatten des Baumes. Die Kinder waren alle beim gemeinsamen Spiel gefesselt. Es wurde ein Schatz gesucht, Blumen gesammelt, hin und her gerannt, versteckt und gefunden. Wenn eines nicht einverstanden war, wurde verhandelt, wenn eine Idee fehlte wurde überlegt und ausprobiert, es wurde befohlen und befolgt. Ich fühlte mich überflüssig, ja sogar faul und nutzlos. Ein überwältigendes Gefühl. Während mir der Impuls sagte, “Geh hin und bring dich ins Spiel”, sagte mir der Verstand “Bleib sitzen und halte dich zurück”.

Ein Jahr lang habe ich die Kinder begleitet. Sie kamen scheu und neugierig. Ich gab ihnen den Raum und die Möglichkeiten sich und andere Kinder zu entdecken. Ganz alleine, ohne Geschwister und Eltern. Für manche das erste Mal. Jedes hat nach und nach für sich entdeckt, wie es sich in der Gruppe behaupten kann. Es konnte erfahren, welche Bedürfnisse es selber oder auch die anderen Kinder haben. Es hat gelernt die eigenen zu vertreten und die der anderen zu respektieren. Wenn immer nötig stand ich bereit, allerdings nie ohne den Leitgedanken “Hilf es mir selbst zu tun” aus den Augen zu verlieren. Manchmal hat es gereicht, das Kind zu ermuntern es noch einmal selbst zu versuchen, manchmal musste ich eine andere Tätigkeit vortäuschen oder einem anderen Kind helfen, um das Kind dazu zu bringen, es selbst zu probieren. Während die ersten Spielgruppenstunden geprägt waren, dass ich an allen Ecken und Enden gefordert und gebraucht wurde, bin ich nun zum Ende des Jahres recht überflüssig geworden. Es ist nicht so, dass alle alles können, aber eine/r in der Gruppe kann es bestimmt und so landen nur noch wenige Fragen und Anliegen bei mir. Was für ein unglaubliches Gefühl muss das sein, wenn man im Alter von 3 – 5 Jahren sich so kompetent ausserhalb seines Daheim zurechtfinden kann! Ich denke, es ist genau das richtige, um nach dem Sommer im Kindergarten oder in einer neuen Gruppe zu starten.

Während ich mich diesen Gedanken hingebe, natürlich nicht ohne immer wieder die Kinder durchzuzählen, steht plötzlich ein Mädchen vor mir und hält mir einen kleinen Strauss mit selbst gepflückten Blumen hin. So wie es aussieht, bin ich doch nicht gänzlich vergessen gegangen. Ich bedanke mich und stelle fest: “Oje, jetzt habe ich gar keine Vase mit Wasser dafür.” Da meint der Junge der dazugestossen ist: “Ach, das ist doch kein Problem, geh nach Hause und stell sie dort ein. Wir brauchen dich hier nicht. Wir kommen schon klar.”

Hier ist er: MEIN Moment und ich kann glücklich loslassen.

Ein blumiges Dankeschön

Ich wünsche allen Eltern, Lehrer*innen, Spielgruppenleiter*innen und Kindern zum Schuljahresende einen guten Blick, um den persönlichen Moment des Erfolgs zu erkennen, um dann glücklich loszulassen und weiterzugehen.

Homeschooling – ein Tagebuch – Tag 58

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und 3 Kindern wird durch die Schulschliessung, eine Massnahme der Schweizer Regierung aufgrund der Corona Pandemie, mit Homeschooling konfrontiert.

Samstag, 9. Mai 2020

Ein Abschied und ein Blick in die Zukunft

58 Tage lang habe ich hier jeden Tag ein Lebenszeichen aus unserem Homeschooling-Alltag geschickt. Es war für mich ein grosses Abenteuer, in welches ich mich, aus einem Impuls heraus gestürzt hatte. Zu Beginn war nicht klar, für wie lange und worüber ich schreiben würde. Nun ja, eigentlich war nie klar, was ich schreibe, bis ich dann am Laptop sass. Auch war nie klar, ob es denn auch von jemandem gelesen wird. Schreiben gab mir Halt und Sicherheit in einer aussergewöhnlichen Situation. Mich schriftlich auszudrücken, fiel mir immer leicht. Es ist etwas was mir liegt und einfach von der Hand geht. Dass ich es aber einmal so öffentlich und regelmässig tun würde, hatte ich nie gedacht. Es ist in diesem Lebensabschnitt, in dieser Krise aus mir herausgebrochen und hat sich seinen Weg gebahnt. Diese Gelegenheit nicht zu ergreifen, war keine Perspektive für mich. Hätte ich die Ausdrucksform Schreiben nicht gehabt, wäre ich wohl verrückt geworden.

Für alles danke!

Ab Montag gibt es kein Homeschooling mehr. Unsere drei Kinder werden wieder mit ihren Lehrer*innen und Schulkamerad*innen in ihren Klassenzimmern ihren Schulalltag aufnehmen. Es gibt deshalb für mich keinen Grund mehr, einen Homeschooling-Blog zu schreiben. Erst recht kein Tagebuch. Jetzt wo das öffentliche Leben für alle nach und nach wieder startet, ist es für mich (und ich denke ich spreche auch für den Rest der Familie) auch nicht mehr stimmig, so viel persönliches preiszugeben.

Lebe wohl, liebes Homeschooling-Tagebuch.

Was ich mir für die Zukunft vorstelle und auch vornehme, sind regelmässige Blogeinträge über meine Erfahrungen als Spielgruppenleiterin, Lernberaterin und Mutter dreier (Schul)Kinder. In welcher Form und wie häufig diese veröffentlicht werden kann ich heute noch nicht sagen. Diese Struktur wird aus dem neuen, alten Alltag heraus wachsen. Lassen wir uns alle überraschen.

Dieser Blogbeitrag entstand nach dem Nachtessen, währenddessen die Kinder einen Film schauten, der Mann für mich den Garten goss. Während ich die letzten Zeilen schrieb, hatte ich eine Zukunftsvision vor meinem inneren Auge. Dabei sitze ich an meinem Laptop in einem gemütlichen Tearoom oder Restaurant und schreibe konzentriert an einem Blogbeitrag. Ich schaue auf, zum Fenster hinaus und sehe draussen die Menschen durch die Strassen gehen.

Merci!